Matt Mullican hat in seinem künstlerischen Werk 1973 eine Strichfigur geschaffen, die Glen heißt und die ihn durch sein künstlerisches Schaffen begleitet. In Strichzeichnungen dokumentiert er das fiktive Leben Glens zeichnerisch, der die Wahrnehmung der Kunst hinterfragt. In umfangreichen grafischen Serien erforscht Mullican das Empfinden von Glen und versucht so, auch dem Verhältnis von künstlerischer Arbeit und Prozessen der Projektion auf die Spur zu kommen. Jede einzelne Zeichnung repräsentiert einen Ausschnitt der Lebenswirklichkeit Glens. Formal wird dies durch die Setzung eines immer gleichen Rahmens mit Horizontlinie betont und schriftlich in der jeweiligen Zeichnung das Erlebte festgehalten: „The sound from the next door drives Glen crazy“, Glen falls asleep near the corner of his studio“ oder „Glen touches one of his studio walls“.
Strichmännchen kennen wir alle und haben sie selbst spielerisch gezeichnet. Es ist ein stark stilisiertes Bild eines Menschen, dessen Gliedmaßen nur durch einfache Striche dargestellt werden. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen handgezeichneten Strichmännchen oder Strichmännchen in Form von Vektorgrafiken. Trotzdem können diese abstrahierten Figuren sehr gut Gefühle und Emotionen ausdrücken, weshalb Strichmännchen-Gesichter auch als Vorlage für Emoticons dienen. Sie kommen zudem häufig in Piktogrammen vor, um Informationen sprachunabhängig oder möglichst schnell zu vermitteln, beispielsweise auf vielen Verkehrsschildern.
Glen ist auch als Alter Ego ein Part in der umfassenden Kosmologie von Matt Mullican, die aus einem komplexen Zeichensystem besteht und sich in unterschiedlichen Medien artikuliert, wie Malerei, Skulptur, Zeichnung und Photographie, aber auch Videoarbeiten, Performances sowie Installationen. In Mullicans künstlerischem Werk geht es immer um die Wahrnehmung der Welt und wie man sie darstellt.
Über viele Jahrzehnte hat der 1951 in Santa Barbara geborene, heute in Berlin und New York lebende Künstler dieses System geschaffen. Er nahm an drei Documenten teil, seine Arbeiten wurden im Museum of Modern Art in New York, der Tate in London oder der Berliner Nationalgalerie ausgestellt. Die große Werkschau MATT MULLICAN. MAPPING THE WORLD – 50 YEARS OF WORK ist bis zum 8. Januar 2023 in der Kunsthalle St. Annen in Lübeck zu sehen.
[U.R.]