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April 2020

Kunstpause und Applaus (Teil 3)

Nein, die Künste sind nicht verstummt. Und ja, es ist eine Krise. Und wie mit dieser umgegangen wird, erkunden wir in Teil III unserer Serie mit Antworten, die einmal aus dem Norden stammen und zum anderen eine Stadt am Rhein in den Blickwinkel nimmt.

Und das ist er, der Blick von Antje-Britt Mählmann aus dem Homeoffice, beim Lesen von Allure von Diana Vreeland. Viele Bilder legendärer Menschen finden sich darin, hier Richard Avedons Porträt der russischen Primaballerina Maya Plisetskaya, 1959

Antje-Britt Mählmann leitet in Lübeck die Kunsthalle St. Annen und kuratiert in einem gelungenen Neubau auf historischem Grund Ausstellungen mit Kunst nach 1945 sowie wechselnde Überblicke und Einzelpräsentationen mit zeitgenössischen Künstler*innen. Zuletzt sorgten Sonderschauen mit Jonathan Meese, Doris Salcedo sowie aktuell eine Fotoausstellung der Helsinki School für Furore.

Während das alte Backsteinmauerwerk in der Apsis und der auch in den oberen modernen Geschossen fortgesetzte Kirchengrundriss für eine sakrale Aura in der Lübecker Kunsthalle sorgen, führen die veränderte Arbeitsstruktur und die Verlagerung der Aufgaben im Homeoffice bei Antje-Britt Mählmann zu einer Art kreativen Zerstreuung. Sie rät, diese Zerstreuung zuzulassen und auch mal Gedanken zu folgen, die man im normalen Arbeitsalltag nie zu Ende gedacht hätte. „Einfach etwas ausprobieren und ggf. verwerfen! So führt das zwangsläufige Social Distancing vielleicht sogar zu unerwarteten ästhetischen Highlights und ganz neuen Ideen“, so Mählmann. Wir dürfen also gespannt sein, welche Konzepte und Ergebnisse die Zerstreuung mit sich bringen wird, und freuen uns schon jetzt auf die früchtetragende Zeit nach der Corona Krise. Doch zuvor befinden wir uns noch mitten drin, halten Abstand, sehen den Horizont und erleben die aktuelle Schau der Helsinki School mit erhabenen, performativen, konstruierten und komponierten nordischen Landschaften in Form eines Digitorials. Außerdem hat die Kunsthalle St. Annen spontan einige Dinge aus dem Inneren des Museums, z.B. Lektüre zur Ausstellungsvorbereitung und besonders inspirierende Bücher thematisiert. Nachdrücklich empfiehlt Mählmann dann auch die neue Webseite Art on the Beat des Hatje Cantz-Verlags. Was bleibt zu wünschen übrig? Hoffentlich eine Beständigkeit von der inneren Konzentration der Museen und der Solidarität mit anderen Kulturakteuren, so Mählmann. Das hoffen wir auch und enden im eher seltenen, aber wunderbaren Futur 2 der vollendeten Zukunft: „Ganz sicher werden sich die digitalen Angebote fast aller Häuser nachhaltig extrem verbessert haben.“

 

Die Stadt am Rhein heißt Ludwigshafen. Sie sei nach Wikipedia mit rund 171.000 Einwohnern die größte Stadt der Pfalz, nach Mainz die zweitgrößte Stadt in Rheinland-Pfalz und nach Mannheim die zweitgrößte Stadt der Metropolregion Rhein-Neckar. Lauter Superlative. Wirklich super ist in jedem Fall das Wilhelm Hack Museum. 1979 eröffnet, herausragend durch seine fließenden Räume im Stil der 1970er Jahre, der Keramikfassade des katalanischen Künstlers Joan Miró an der Südostseite und durch seine Sammlung, die mittelalterliche, moderne und zeitgenössische Kunst mit Schwerpunkt auf der Entwicklung der geometrisch-abstrakten Künste umfasst. René Zechlin steht dem Hause vor und arbeitet auch in diesen Zeiten von dort aus, denn: „Da ich ins Museum zu Fuß laufen kann, ist das auch kein Problem.“ Aus dem Team arbeiten zudem einige im Homeoffice, manche abwechselnd sowohl zuhause als auch im Büro, Mehrarbeit und Resturlaub werde abgefeiert und als städtische Institution würden auch einzelne Mitarbeiter*innen beim Zustellen von Quarantäne-Bescheinigungen oder in der Corona-Telefon-Zentrale eingesetzt. „Ein Perspektivwechsel ist es auf jeden Fall für alle“, so Zechlin.

Die derzeitig im Wilhelm Hack Museum stattfindende Biennale für aktuelle Fotografie kann in einem 360° Rundgang durch die Ausstellung erlebt werden. Auch für einen der Sammlungsschwerpunkte des Museums, dem Expressionismus, wurde die Präsentation „Abstrakte Welten“ erarbeitet, weitere werden folgen. Bildbetrachtungen, Kreativ-Tutorials und Online-Workshops sind ganz aktuell auch auf dem neuen Museumskanal bei Youtube anzuschauen.

Was wird bleiben, was werden wir anders sehen? „Ich denke, die Entschleunigung wird noch nachhallen: Wir werden es vielleicht wieder viel mehr und besser schätzen können, was es bedeutet, gemeinsam etwas zu erleben“, so Zechlin. Mit dieser Wertschätzung und Wünschen für Kunst und Nachhaltigkeit enden wir und weisen auf den bald in Blüte stehenden hackmuseumsgARTen hin, dessen Baustelle auch bald verschwunden sein wird (und da war es wieder dieses F II).

Im nächsten Beitrag schauen wir uns dann die Aktivitäten von Wikimedia Deutschland und der Ernst von Siemens Kunststiftung im Heute und Hier an.

[S.H.]

Und das ist er, der Blick aus dem Büro im Wilhelm Hack Museum von René Zechlin, auf eine Baustelle - und irgendwie ist gerade alles eine Baustelle.