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Dezember 2022

modern und alt und schön und überwältigend

Die Nachricht traf mich am Morgen. Der Zug fällt aus. Eigentlich alle Züge im Norden fallen aus. Doch genau dort im Norden waren wir verabredet. Anreisend aus Berlin, Frankfurt, Stuttgart, Neubrandenburg. Aber sie kamen dennoch alle. Alle, die sich angekündigt hatten, manche später, manche früher. Mit teils schwerem Gerät bepackt, doch dazu später mehr. Die Wege mögen unterschiedliche sein, die Verkehrsmittel ebenso, doch das Ziel war fest im Blick: Es ging um Lübeck, die Hansestadt an der Trave. Wer kennt sie nicht! Also manche kannten sie jetzt nicht richtig, Grund genug, unsere Einladung wahrgenommen zu haben. Was soll ich sagen: Marzipan, Holstentor oder die berühmte Stadtsilhouette mit den sieben Türmen. Ja, auf einen der Türme kann man hochsteigen, wir haben das gemacht. Aber zuvor trafen wir uns am Boden.

Das Blumenbeet war rund. Und es war Kunst. Und die Kunst breitete sich im Schatten des großen Doms aus. Der Dom zu Lübeck, gelegen am Südrand der Altstadt am Mühlenteich ist alt und schön und überwältigend. Im Jahr 1173 wurde mit dem Bau begonnen, er gehört zu Lübecks ältesten Baudenkmalen, ein gewaltiger dreischiffiger Backsteinbau. Auf der Wiese vor dem Dom blühte es... nicht mehr ganz so bunt als wir uns am fraglichen Termin im Frühherbst trafen. Dies liegt an der Natur der Blume. Aber wir erahnten die Schönheit, die konzeptuelle Strenge und die Farbigkeit dieses Beetes, einer floralen Inszenierung des US-amerikanischen Künstlers Matt Mullican, der just der aktuelle Preisträger des Possehl Preises für Internationale Kunst geworden war und der Grund unseres Treffens bildete.

Eingeladen hatten wir Instagrammer im Auftrag der Stiftung. Und diese machten sich auf den besagten nicht ganz leichten Weg und sie waren bepackt mit Kameras, Drohnen und was man halt heute so in der Tasche hat. All dies brauchten sie dann auch bei der zweiten Station, eines anderen Sakralbaus, gleich um die Ecke (in Lübeck ist alles um die Ecke), der St. Petri Kirche, Stichwort Silhouette. Diese Kirche ist eine Kirche und eine Kunstkirche, ein Kunstort und hat einen Turm. St. Petri, gelegen mitten in der Altstadt ist alt und schön und überwältigend. Und als wir eintraten war es auch überwältigend. Matt Mullican präsentierte dort seine monumentale Installation „Berlin-Block“, die aus 169 dreiteiligen Leinwandarbeiten besteht, die in vertikaler Form an den großen Säulen von St. Petri lehnten. Sie bilden eine tour d`Horizon durch die Themen und Formen und Zeichen und Welten und Kosmologien Mullicans, welche in Berlin entstanden und nun zum Raumerlebnis emporstrebten. Wir feierten die Eröffnung, es gab Reden, Speis, Trank und dann gingen wir auf den Turm. Gerade rechtzeitig zum Sonnenuntergang zeigte sich die ganze Schönheit dieser Stadt. All diese Aufnahmen und Stories und Reels, und es sind zahlreiche und ganz wunderbare geworden, gibt es auf den einschlägigen Kanälen, die gleich noch zu benennen sind. An dieser Stelle schon einmal ganz großen Dank an die Herrenrunde: Constantin, Heiko, Jörg, Marcus, Thai, Thomas und auch an die lokalen Instagrammer:innen aus Lübeck, die ebenso mit von der Partie waren.

Nach einer Stärkung in Lübecks ältestem Wirtshaus, dem alten Zolln - alles in Lübeck ist alt und schön und überwältigend – erkundeten am nächsten Morgen einige unserer Gäste die Stadt und die Gassen und die Spiegelungen im Wasser. Man munkelt, dass manche im Übereifer sogar ganz engen Kontakt zum Wasser hatten… Treffpunkt war dann in trockenen Tüchern der dritte Spot: das Europäische Hansemuseum. Und im Speziellen die öffentlich zugängliche Dachterrasse, die eine ganz besondere Prägung erhalten hatte. Man ahnt es, auch hier war wieder Mullican im Spiel. Die Bodenarbeit spielt mit dem Muster des allgegenwärtigen Lübecker Backsteins und erzeugt neue digital anmutende Muster auf dem Boden, die dann besonders aus der Luft zur vollen Wirkung gelangen. Genau dort flogen sie dann, die Drohnen während unten im Spiel von Licht und Schatten und Linien und Streifen die Burschen allerhand Akrobatisches vollführten. Es wurde wahrlich ganze Arbeit geleistet!

Zwischenzeitlich ist nun auch die vierte Phase der Mullican-Festspiele in Lübeck angebrochen, die seinerzeit noch nicht eröffnet hatte. So rufe ich auf: Schaut auf Lübeck, schaut in die Kunsthalle St. Annen, denn dort ist noch bis zum 8. Januar 2023 eine ganz besondere Schau zu erleben: Mullicans 50 years of work! Und instagrammabel ist es dort ebenso. Modern und schön und überwältigend, wie alles in Lübeck.

[S.H.]