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April 2020

Kunstpause und Applaus (Teil 2)

Nein, die Künste sind nicht verstummt. Und ja, es ist eine Krise. Und wie mit dieser umgegangen wird, erkunden wir in Teil II unserer Serie mit Fragen gen Thüringen und Sachsen. Jörg Hansen aus dem Bachhaus Eisenach und Jürgen Ernst vom Mendelssohn Haus Leipzig erleben ihre Häuser erstmals in gänzlich ungewohnter Stille.

 

Zuhause sitzt er in Berlin und renoviert, allerdings weniger das traute Home denn die Website des anderen Hauses, jenes in Eisenach, in dem im übrigen Johann Sebastian Bach nie gewohnt hatte, aber das ist eine andere Geschichte. Weitere Präsenzen des Museums und seiner Aktivitäten gibt es auf Facebook. Das Bachhaus, eines der größten Musikermuseen in Deutschland, ist eigentlich täglich geöffnet. Derzeit ist es still in Eisenach. Nicht mehr zu hören sind die stündlich stattfindenden Livekonzerte auf den fünf barocken Tasteninstrumenten im historischen Saal des Altbaus. Um die außergewöhnliche Schließzeit und Ruhe des Hauses zu nutzen, denkt Jörg Hansen an eine kleine Fotodokumentation „Das schlafende Museum“. Denn dass das Museum einfach zugesperrt wird, ohne andere Aktivitäten wie Bauarbeiten oder die Auslagerungen im Krieg, das gab es in der 113-jährigen Geschichte des Bachhauses noch nie.

Ein Museum erzählt mit Originalobjekten bebilderte Geschichten. Das geht ohne reale Räume nicht, so Hansen. Auch der Shop verkauft keine Devotionalien Bach‘scher Couleur mehr, doch immerhin gibt es auch online ein kleines Angebot. Im Moment weiß der Direktor nicht, wie und ob sich die Besucherzahlen im weiteren Jahresverlauf erholen werden und da sich das Bachhaus zu 60 Prozent selbst finanziert, hofft er, dass die Fördermittelquote in diesem Jahr einmalig erhöht werden wird. Aufträge im musealen Zusammenhang kann er seriös derzeit nicht vergeben. Und dies trifft im Besonderen die Freien wie Musiker, Schauspieler, Lichtkünstler, Autoren, da die Aufträge von einem zum anderen Tag wegbrachen. „Nach dem ersten Weltkrieg gründete sich die GEMA, und vor 40 Jahren die Künstlersozialkasse, um für diese Berufe zusätzliche Einkünfte und eine Kranken- und Rentenversicherung zu schaffen. Vielleicht ist es nach den jetzigen Erfahrungen nötig, auch eine Art Arbeitslosenversicherung für freie Künstler*innen aufzubauen. Denn auch wir als Museum sind auf die Freien angewiesen, für Konzerte, Ausstellungen, Inszenierungen. Nur Altes zu zeigen, und keine Brücke zu moderner, aktueller Kunst zu schlagen, das kann heute nicht mehr der Anspruch von Museen sein.“, so Hansen.

Was er sich denn so im Netz jetzt anschaut, war die Abschlussfrage. Die Antwort: „Sobald ich das Handy anmache, schaue ich gleich nach den Infektionszahlen. Lieber ein Buch.“ Welches, verriet er nicht, vielleicht ja eins mit Fischen. Aber anhören und anschauen lohnt nicht nur an Ostern: Die Johannespassion aus der Thomaskirche Leipzig.

Jörg Hansen, Direktor des Bachhauses Eisenach im Homeoffice
Jürgen Ernst, Direktor des Mendelssohn Hauses in Leipzig, nicht im Homeoffice

Jürgen Ernst kennt das Mendelssohn Haus aus vielen Zeiten und wie sie sich verändert haben, die Zeiten und das Haus. Er selbst und auch das Museum sind natürlich so agil wie je zuvor. Vor gar nicht langer Zeit wurde eine ganze neue Etage eingerichtet, gewidmet jener Fanny, der musizierenden Schwester von Felix Mendelssohn Bartholdy, Fanny Hensel. Doch jetzt ist es auch dort im obersten Geschoss ganz still und stumm, das Mendelssohn Haus arbeitet im Notbetrieb. „Wir haben durch unseren ziemlich exzessiven Museumsbetrieb an 365 Tagen im Jahr doch einen erheblichen Bedarf an Restaurierung und Konservierung von historischen Dielen, Treppen etc.“ Weitere Aufgaben liegen nach Jürgen Ernst jetzt im Update aller interaktiven Module und in der Digitalisierung des Archivs. Aus diesem Grund spürt er auch weiterhin historischen Boden unter seinen Füßen, er nutzt kein Homeoffice, sondern eine Art aufgestockte Kurzarbeit. Beeindruckend sei es gleich wie bei Hansen im Bachhaus, ein Museum zu erleben, welches so unbelebt seine Schönheit auf eine ganz ungewohnte, aber faszinierende Weise entfaltet. Erfreut zeigt sich Ernst, dass die sehr beliebten und immer gut besuchten Sonntagsmatineen jetzt live auf Facebook gestreamt werden und eine sensationelle Reichweite erzielen.

Wir gratulieren, verfolgen und ergötzen uns an der Musik von Bach und Mendelssohn im Netz und hoffentlich bald auch wieder live vor Ort an ihren historischen Stätten und anderswo.

 

Welche Aktivitäten das Wilhelm Hack Museum in Ludwigshafen und die Kunsthalle St. Annen in Lübeck bereithalten, klären wird dann im dritten Teil unserer Serie.

[S. H.]