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November 2020

Cocooning & staying

Die Sprache reflektiert immer auch einen aktuellen Stand des menschlichen Daseins und passt sich Gegebenheiten an. Durch das beherrschende Thema Coronavirus ist schnell ein neuer Alltagswortschatz – auch aus dem medizinischen Bereich – mit vielen Anglizismen entstanden, den wir vorher nicht kannten. So wie coronieren, das heißt, dass sich jetzt alle Zustände dem Coronavirus unterordnen, oder sich in der Corona-Krise verändern. Die Gesellschaft coroniert, klingt schräg, coronafrei weckt dagegen direkt positive Assoziationen.

Aber wie verhält es sich mit den Begriffen und Wortschöpfungen wie Spuckschutzschild, Distanzschlange bzw. social distancing, Abstandsgebot, Immunitätsnachweis, Maskenpflicht, Ellenbogengruß, Pflegebonus, Schnutenpulli, Zoomcall, zweite Welle, Lockdown, Shutdown, Ausgangsbeschränkung, Pandemie, Inzidenz und dem Super Spreading Event, Reproduktionszahl R oder auch R-Wert, Triage …? Die Liste lässt sich spielend verlängern.

Da scheint das cocooning fast noch anheimelnd zu sein, denn seit der Corona-Krise wird mehr Zeit und Geld in die häusliche Gemütlichkeit investiert. Cocooning bezeichnet das sich vollständige Zurückziehen in die Privatsphäre, zu Hause sein als Freizeitgestaltung. Die englische Bezeichnung "to cocoon" - "sich in einen Kokon einspinnen" kommt aus der Biologie, wo er das Verpuppen von Insekten-Larven beschreibt. Was derzeit wegen der Ausgangsbeschränkungen im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus zwangsweise passiert, hat bereits eine längere Tradition.

Für die Kultur ist die jetzige Lage wieder ein harter Lockdown und hat mit einer light Version wirklich gar nichts zu tun, denn nach der Verlängerung des Lockdowns am 26.11. bis zum 20.12.ist klar, dass die Kultureinrichtungen leider geschlossen bleiben. Die Situation spitzt sich zu. Also sind weiterhin staying und cocooning für das ausbleibende Publikum und zahlreiche digitale Formate als Ersatzangebote notwendig in dieser schwierigen Situation. So präsentieren sich auch unsere Kunden mit digitalen Formaten sowie Social Media zu Ausstellungen, die längst fertig im Museum hängen und auf ihre Besucher*innen warten. Tägliche Live Touren mit Guides bietet das Museum Barberini als Rundgang durch die bisher nicht eröffnete Schau „Impressionismus in Russland“ sowie durch die Impressionismus-Sammlung von Hasso Platter. Das Lechner Museum Ingolstadt verlegte die Eröffnung der Fotoausstellung DIVIDED WE STAND – Braschler/Fischer am letzten Sonntag ins Netz und die gesamte Schau, die einen authentischen Einblick als Nahaufnahme in die US-amerikanische Gesellschaft gibt, ist zusätzlich online abzurufen. Auf Kunst muss auch bei der geschlossenen Kunsthalle Münster nicht verzichtet werden, die bedeutende Sammlung von Kunst im öffentlichen Raum der Stadt Münster kann jederzeit besucht werden. Die Kunsthalle Münster stellt die Sammlung jetzt auch auf der Website umfassend dar und bietet damit zugleich eine Inspirationsquelle für das Flanieren durch den Stadtraum.

Interessierte können die verschiedenen Formate vom heimischen Sofa aus bequem nutzen – der Schub in der Digitalisierung bleibt. Die gesamte Kreativ- und Kulturbranche jedoch starrt auf das nächste Treffen am 15.12. im Kanzleramt in der Erwartung, dass die im Infektionsschutzgesetz festgeschrieben Beschlüsse greifen und die Kultureinrichtungen wieder öffnen dürfen, wenn es die Infektionslage zulässt! Die Hoffnung stirbt zuletzt.

[U.R.]