Wir mussten in den Knast. Aber wir kamen zu spät. Dreihundert Jahre früher und wir wären ihm begegnet, hätten die Schlüssel in der Hand gehabt, die schwere mit Eisen beschlagene Tür geöffnet und da wäre er gewesen: Johann. Komponierend. Mit Kerze, Federkiel und vor ihm das unbeschriebene Blatt und dann die ersten Noten, leicht hingeworfen in C-Dur. Dann h-Moll, Fis-Dur. Eine Wonne und so wohltemperiert. Johann Sebastian Bach saß im Arrest in Weimar, es langweilte ihn, es umgab in „Unmuth“. Und so soll er entstanden sein, der wohl berühmteste Klavierzyklus der Musikgeschichte: „Das Wohltemperierte Clavier“ aus dem Jahre 1722.
Ob dies alles so stimmt, mag sein. Anlass jedenfalls genug, um von Eisenach aus, dem Geburtsort Bachs, eine kleine Pressereise zu unternehmen und sie ward lehrreich und unterhaltsam. Das Bachhaus Eisenach präsentiert noch bis zum 6. November 2022 eine Kabinett-Ausstellung auf zwei Etagen und führt in die doch recht komplizierte und verzwickte Musiktheorie ein, was denn wohltemperiert überhaupt bedeutet, was eine mitteltönige Stimmung ausmacht, und was – dies ist der Clou – eine Wolfsquinte ist. Letztere hört sich jedenfalls sehr schräg und heulend an, man kann es ausprobieren.
Und bevor wir die Ausstellung gemeinsam besuchten, zelebrierte der Organist Benjamin Leins für uns noch ein Tastenspiel auf historischen Instrumenten aus der Bachzeit. Dies wird auch immer allen Besucher:innen des Hauses gewährt, stündlich!
Die Ausstellungsräume sind kaum größer als die Zelle in der Weimarer Bastille. Während die Originalstätte wohl keine vergitterten Fenster besaß – sie liegt hoch genug, um nicht fliehen zu können – ist der obere Raum des Bachhauses mit Gitterstäben eingekastelt. Jeder der 14 Stäbe trägt Kopfhörer, oben sind Bachs Fugen in Dur zu hören, unten die in Moll. Und dahinter lugen sie hervor, die ihm nachfolgten und bewunderten: Beethoven, Brahms, Chopin, Schostakowitsch oder Fanny Hensel. Keine Komposition dürfte die heutige abendländische Vorstellung von der Zahl und Geschlossenheit der Tonarten so sehr beeinflusst haben, wie dieses Werk, meint Bachhausdirektor Jörg Hansen.
Das Bachhaus Eisenach bietet neben der Sonderausstellung zudem Trickfilme, echte und falsche Bachbilder, Rätsel, Hörkapseln und vieles mehr. Zum Hören, Sehen und Staunen!
Da jedoch zwischen Eisenach und Weimar viel Land liegt und Bach ja einst ebenso viel unterwegs war, begaben so auch wir uns auf Spuren, die er hinterließ. Als Kind und Vollwaise in das Örtchen Ohrdruf zum großen Bruder verschlagen, durften wir uns nun dort umschauen, wo der zehnjährige Johann ehedem wandelte. Es war wohl schön dort und ist es allemal noch heute. Wenngleich durch einen großen Brand viel zerstört wurde, gilt das Museum Schloss Ehrenstein in Ohrdruf als eines der schönsten Renaissanceschlösser Mitteldeutschlands. Und dort gibt es neben Schaukelpferden mit Echthaar und sogenannten „Kewpies“ auch eine eigene Bachausstellung. Mit Orgel! Denn die erlernte der junge Johann dort.
Wir erhielten nicht nur eine kundige Führung durch den Kurator Benedikt Schubert, sondern im Anschluss auch noch Thüringer Bratwürste, vom Bürgermeister Stefan Schambach spendiert. Was will man mehr? Gestärkt ließen wir uns dann Richtung Weimar direkt in den Knast überführen. Dort erwarteten uns Steffen Meyer, Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten sowie Mark Schmidt, Marketingleiter weimar GmbH, und ließen uns ein, in die mittelgute Stube, wo alles einst begann.
Alles weitere und viel viel Kundigeres zu Bach, Bachhaus und dem wohltemperierten Klavier dann nachzulesen in den großen Tages- und Wochenzeitungen, im Funk und im weiten www.
zeit.de / faz.net / sueddeutsche.de / freitag.de / deutschlandfunk.de / swr.de / welt.de / dw.com / srf.ch / thueringer-allgemeine.de / rnz.de
[S.H.]